Rezensionen

Quasi Verismo verissimo.

17. September 2020, 08:15 Uhr

Die Oper „Zazà“ von Ruggero Leoncavallo ist weitgehend unbekannt. Es gibt lediglich vier Gesamteinspielungen. Richard Schmitz hatte Mühe für die Per Opera ad Astra-Sendung eine CD zu finden, mit der die Sendung zu gestalten war. Im Laufe der Arbeit hat er begonnen sich mit der Oper anzufreunden und war auf die Realisierung im Theater an der Wien gespannt. Die Handlung ist ja denkbar einfach um nicht zu sagen banal. Varieté-Sängerin verliebt sich bis über beide Ohren in einen Mann, der wie sich später herausstellt, glücklich verheiratet ist und eine reizende Tochter hat. Schließlich resigniert sie verzweifelt. Ob Zazà zur Bühne zurückkehrt oder dem Mann weiter anhängt, bleibt offen. Kein dramatischer Selbstmord oder gewalttätige Auseinandersetzungen der Rivalen, auf das alles verzichtet Ruggero Leoncavallo, der auch sein eigener Textdichter ist. Auch den 5. Akt aus dem Vorlagedrama, der Jahrzehnte später spielt, zieht er nicht heran. Also eine ganz gewöhnliche Geschichte, die auch heute sicher oft passiert. Quasi Verismo verissimo.

Das Schöne am gestrigen Abend im Theater an der Wien ist, dass der Regisseur Christof Loy den Ablauf so schildert, wie er ist. In typengerechten Kostümen von Herbert Barz-Murauer auf der realistischen Drehbühne von Raimund Orfeo Voigt kann sich die Handlung ohne Mätzchen entwickeln. Doch das Wichtigste ist eine Sängerin, die die Gefühle der Titelfigur über die Rampe bringt. Das tat gestern Svetlana Aksenova in berückender Weise. Sie stand nicht nur ohne Unterbrechung auf der Bühne, sondern zeigte auch die Wandlung von der vorerst berechnenden Verführerin zur leidenschaftlich liebenden Frau. Auch Nikolai Schukoff zeichnete Milio, den miesen Kerl, der gerne beides, Familie und Geliebte, hätte, glaubwürdig. Christopher Maltman hat die einzige eingängige Arie und gibt den gutmütigen Partner, der er sein soll. Vielleicht landet Zazà doch noch bei ihm. Auch Juliette Mars als Natalia, Zazàs Garderobierin, entspricht der Rolle. Dorothea Herbert  darf die Konkurrentin Floriana und die Ehefrau Milios singen. Auch die übrigen Rollen, Mutter, Journalist, Inspizient, Theaterdirektor und zwei singende Tänzerinnen sind erstklassig besetzt.

Stefan Soltesz brachte mit dem Radio-Symphonie-Orchester Wien Leoncavallos Musik einprägsam zur Geltung. Was der Oper fehlt, sind wieder erkennbare Arien und Ensembles, die man im Gedächtnis behält. Trotzdem ist die Begegnung mit diesem Werk für mich unvergesslich. Das Theater an der Wien hat musikalisch die beiden Aufnahmen, die ich inzwischen kenne, locker in den Schatten gestellt. Vielleicht entsteht hier die erste DVD dieser Oper! Das Corona-Publikum war sichtbar und hörbar zufrieden.

Wertnote: 8,8 von 10 Punkten.

© Monika Rittershaus Svetlana Aksenova (Zazà), Nikolai Schukoff (Milio Dufresne)